Ich hab mich an zwei junge Frauen herangeschlichen und dieses Gespräch belauscht:
Katja:
“Warum tun die ganzen Kunstfuzzies nicht etwas Vernünftigeres?”
Sarah:
“Ach lass diese Leute doch in Ruhe, es gibt Schlimmeres, wir müssen doch dankbar sein dass die nicht mit Waffen handeln oder so.”
Katja:
“Also Sarah, die Ungerechtigkeit spricht doch deutlicher als alles andere zu uns?
Warum also gerade mit Kunst zutun haben?”
Sarah:
“Schau, es gibt so viel Geld da, viel Prestige in cooler, chiquer Szene, die waren ratlos was sie sonst machen wollen. Deren Persönlichtstendenzen sind eh eher hedonistisch, exzentrisch, die sind schillernd, disozial. Die Kunstszene ist ein einzige, hoffnungslose, frühpubertäre Resignation und Kapitulation, eine rein asoziale Gebärde. Und die Kunst selbst unterliegt einer völligen Überwertung innerhalb der Szene und das steht, so finde ich, in starkem Kontrast mit einer schwachen Rechtfertigung der Szene selbst, dessen was sie tut. Rechtfertigung findet vorallem durch den Markt nicht aber durch das was sie ist, statt. Das Misstrauen und Unverständnis von Aussen ist gross, hörst Du manchmal was die Leute die damit nichts zutun haben, egal wer,darüber sagen?
Katja:
“Jetzt beruhige Dich mal wieder, Kunst gibt einem einfach viel, diese feine, bewegliche Denklinie, diese Brise, dieses stimmulierende Denkbare dabei, die Schönheit und die tollen Materialen, Farben, Formate, die Grösse, die Feinheiten der Herstellung oder denk doch nur daran wie viel Ersatz für diese frustrierende, veraltete Reliösität da drin steckt, man hat ein spirituelles, ein mysthisches Erlebnis mit Kunst oder zumindest etwas irgendwie ähnliches. Ich glaub einfach das das ein Ersatz für die rituellen Treffen, die Feste der Kirchen, der Religionen geworden ist, zu einer Eröffnung gehen oder sich damit irgendwie umgeben. Da kann man mit all den Leuten, dem Getue echt Sinn generieren. Und man muss mit denen garnicht reden, man kann einfach nur da sein, das Ereignis, das Spektakel passiert ganz von allein. Nichts muss man beitragen und trotzdem werde ich wahrgenommen, darf mittrinken, rumstehen, dazugehören. Nichts muss ich wissen über die Kunst, ganz wissens und -geschichtslos ist sie dann oft, ganz leicht konsumierbar, das ist doch herrlich?”
Sarah:
” Genau das alles finde ich ja gerade beschissen daran.
Alles was Du sagst, gilt ja für alle: Die Künstler, die Käufer, das Publikum, die Verkäufer, keiner weiss so richtig was er da eigentlich macht, wozu das Ganze, für wen? Niemand muss niemandem gegenüber etwas rechtfertigen. Aber das ist doch eigentlich wichtig wenn ich zeigen, sagen muss, warum ich etwas tue, wie es sich anfühlt. Rechtfertigungen müssen doch auch gegenüber möglichst Vielen funktionieren: das Leben der mir bekannten Künstler versteht sich meist als ein mögliches, asoziales Nischensein, das unsere Gemeinschaft zum Glück ermöglicht.
Der Künstler macht einfach irgendwas, seine Arbeit ist Ausdruck irgendeines individuellen Moments, er braucht ganz unbeirrt keine Verantwortung zu übernehmen, er stellt sich nur scheinbar zu Diskussion. Niemand muss das da, Verantwortung übernehmen. Eben ein kommunikationsloses Geflecht aus Geschäften, asozialer Gesten und narzistischem Getue. Warum müssen wir anderen bei deren Reifung oder Bewältigung zusehen? Kunst dient niemals dazu etwas zu erklären: So viele nutzen sie um für ihre wirren Gedanken eine Form zu finden.Wie kleine Kinder. Und das schlimmste für mich: das philosophisch ungenaue und überforderte Denken der Leute da.”
Katja:
“Du Sarah mir ist bei all dem viel wichtiger diese Erfahrung die ich dort in der Kunst am besten machen kann: Da entzieht sich mir immer was, ich gehe hin mit meinem Werkzeug aus dem Alltag, aus der Arbeit und das bringt mir da nichts. Irgendwie ist Kunst so unähnlich dem Menschen, so wie ich ihn kenne. Mir ist egal ob da reif und intelligent und achtsam miteinander gesprochen wird, das Asoziale, nein, ich fühle mich einfach und unabhängig von den Menschen dort hingezogen von etwas das sich mir zeigt ohne das ich persönlich gemeint bin, irgendwie jenseits dessen was ich so einfach fassen kann auch trotz seiner Komplexität”
Sarah:
” Gut dann ist Kunst nur gut gegen die Einsamkeit, man kann alleine mit ihr sein, sie macht was, das den anderen ersetzt, wie ein Hund. Man nimmt die Kunst dann braucht man keine Beziehung.”
Katja:
“Wo ich Dir recht gebe ist, das das ganze Kunst Ding schlussendlich einen sehr unentschlossenen, unsicheren Eindruck macht, deshalb sind die auch so arrogant. Das ganze Phänomen ist doch nichts weiter als der Ausdruck der Probleme, des Humors einer zutiefst spiessigen, eher ungebildeten Mittelklasse. Die sind doch total verklärt. Deine Probleme, meine Probleme, die Probleme, die Erlebnisse und Erfahrungen der Menschen die sind echt, wirklich, heftig, bedrohlich, langweilig, normal usw. aber das sind alles Dinge, die der Künstler in seiner Arbeit nicht versteht, darstellt. Er verklärt. Der Künstler bearbeitet eine bestimmte Perspektive, Frage, aber irgendwie finde ich es interessanter, diese Fragen sprachlich, wissenschaftlich zu perspektivieren. Ausserdem sind das doch nur ziemlich mittelmässige Ideen mit grossem Aufwand umgesetzt. Jede Realität, jeder Mord, jede US Comic Serie, Chopin oder Beethoven sind doch viel geiler als das allermeiste was einem da geboten wird.”
Sarah:
“Wir haben noch garnicht von der Rhetorik und den Diskursen der Galleristen, der Kuratoren und Kunstkritiker gesprochen, wie die über sich und die Kunst und so reden, naja doch, als wir über den Ausdruck dieser Leute gesprochen haben, also die Körperhaltung, die Blicke, die Motivation der Leute, die zivilisatorische Rolle der ganzen Geschichte. Warum sind also gerade in unserer geliebten Kunst, die Leute oft so arrogant und kalt und unreif? Man würde doch erwarten, dass gerade da, wo die Schönheit mit dem Geheimnis, dem Rätsel des lebendig -Seins usw. zusammenkommt, freundliche und offene und achtsame Menschen hervorgehen? Gerade durch das Zusammenwirken dieser Kunstszene- Menschen, müssten doch die sozialen Modelle entstehen die vorbildhaft für die Problemlösungen der Gegenwart sein könnten? Wer mit Kunst ist und mit anderen ist, die mit Kunst sind, wird doch ein besserer Mensch? Sind die Leute in der Kunst, in ihren Institutionen irgendwie anders zueinander, wirkt da die Kunst hinein? Ich weiss nicht. Es wirkt doch so, oder irren wir uns da, das da irgendwie das Können der Kunst verloren geht oder nicht zur Wirkung kommt? Und ist es schliesslich romantischer, naiver Blödsinn zu glauben, Kunst könne messbaren, fühlbaren, grossflächigen Einfluss auf das politische Geschehen haben, auf politische Entscheidungen, das man also sieht, ah schau, hier hat diese Ausstellung, diese Idee, diese Form unser Verhältnis zu unseren Freunden, zu ostukrainischen Kriminellen oder zu afrikanischen Flüchtlingen, deren Probleme und Not zu verstehen beeinflusst?”
Katja:
“Ach ich weiss nicht. Ich wünschte mir nur, die Unternehmen, die Wirtschaft wüsste wie man die vielen kreativen, nachdenklichen, zarten Seelen aus der Kunstszene für die Verantwortung die sie übernehmen könnten, begeistern könnte. Man böte ihnen Jobs an, die sie annehmen könnten. Für die ist doch sicher irgendwo Gebrauch?Vielleicht hat andererseits die Szene, die ein Bedürfnis hat, ihre Wirksamkeit stärker in der Politik zu spüren, Angst davor, durchsetzungstärkere Menschen einzustellen als diese Softies die so wahnsinnig schlau sind aber so einen verspannten Eindruck machen. Angst wahrscheinlich, dass diese über headhunter gefundenen Kulturmanager keinen Geschmack haben. Vielleicht müssen die Kunst Menschen auch nur noch viel genauer formulieren was sie wollen wenn sie von Politik sprechen, wenn sie darüber sprechen, wie sie in Bezug auf welches Thema, Einfluss nehmen wollen auf die Geschehnisse. Was sie von Bildung oder Erziehung unterscheidet?
Sarah:
“komm lass uns mal nicht weiterrumlabern, komm wir schauen uns mal diese Show von Meese an.
Meese Nummer wird angeschaut.
Katja:
“also das ist für mich die Freiheit der institutionalisierten, risikofreien Asozialität und Anarchie! Ich verstehe nicht, wie das alles übertragbar ist in meine Welt, sein Mut scheint nur zu beeindrucken, denn es ist dann doch nichts weiter als hemmungslos sein und das kann dann auch inhaltlich nur langweilen, ausserdem ist es weder lustig noch neu noch besonders intelligent, vielleicht ist es frei?”
Sarah:
“ja in seinem Rahmen ja, aber welcher ist da schon? was hinterlasst es bei einem: allemals Verstörtheit und Neid das der sich das traut, aber das lässt sich hinterfragen, ist es also schön was er macht, mein Gott nein nicht unbedingt, es ist konsequent aber das ist doch so auch irgendwie einfach, er ist auch nur einer, der seine Nische gefunden hat.”
Katja:
“Ich will noch ein bischen weiter gehen: Ist es revolutionär oder nur spektakulär, klingt gut oder? Kann man da was lernen, über die Freiheit oder über das Neue? Ist es absolute Form der Loslösung oder Verwirrspiel? Befreit es mich von den sog. bürgerlichen Ordnungen? Will er das überhaupt? Und dann ist mir aufgefallen, dass es vielleicht eher Musik als bildende Kunst ist. Eine Bedingung muss doch immer das Verstehbare sein, kann ich es für mich ganz allein zu etwas verwandeln, das Bedeutung bekommt, mich irgendwohin führt? Kann jenseits der Form mehr daraus enstehen? Oder ist es nur die zerstörte Form aus der es die Kraft schöpft? Ich check das hier nicht bzw. irgendwie glaube ich, hat der das nicht drauf.”
Sarah:
“Ich find das gut so: sein Sinn und Mut zur Sinnlosigkeit, das Ausleben des Künstlerklischees,einfach weiter machen, es nicht abbrechen zu lassen, irgendeine legitimierte Infantilität und ihr Narzismus. Die Frage nach dem Geheimnis und der Subtilität muss nicht gestellt werden. Egal, komm wir zischen ab.”